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Frage und Antwort

 

 

“Weißt du, was ein Orgasmus ist?”

“Nee.”

“Ah shit.”

 

 

Wir sind mittendrin in einem Gespräch, meine Mondpatentochter und ich. Mondpatin, das heißt, ich bin die schräge Tante. Die, die mehr Informationen als ihre beste Freundin hat, und nicht so nah dran ist wie ihre Mutter. Statt unverfänglich zu starten, geht es direkt ins Thema: Selbstbefriedigung. Ahhh, ich merke: meine Schamgrenze kommt langsam in Sicht. “langsam”. Sie steht neben mir und grinst.

 

 

Aber Nein, diese Generation soll anders aufwachsen. Scham ist erlernt. Tabus sind erlernt. Dafür haben wir genug Vorbilder, ich mach es anders. Mit Sturheit und Idealismus durch die Scham.

 

 

 

“Okeee, also….” setze ich an.

Und versuche mein Bestes.

 

 

Während ich so erkläre, erheben sich in meinem Inneren kontinuierlich neue Fragen: Ist das wirklich so? Wie denkst du darüber? Von wann ist dieser Gedanke und ist der überhaupt noch gut? Ab und zu muss ich mir die Nase zuhalten und einen vergammelten Gedanken in die Biotonne meiner Prägungen befördern.

 

 

 

“Niesen kennst du ja, ne?!

Okaayyyyyyyy...”

 

 

Ich bestaune immer wieder meine Wortlosigkeit. Die absolute Stille in meinem mentalen Lexikon. Dabei hab ich was mit Sprache studiert! Ich bestaune mein Unwohlsein, die Worte zu gebrauchen, die ich kenne. Und in meinem Kopf bin ich sowas von aufgeklärt und sexbodywasauchimmerpositive. Ständig sprechen wir über Sex. Über Körper. Über Lust. Aber eigentlich tun wir das nie. Nicht auf diese absolut natürliche Weise, dass das alles zu uns gehört. Die Augen meiner Mondpatentochter schauen mich einfach nur erwartungsvoll an. Sie warten auf Antwort, auf Erklärung, auf Geschichten. Sie sind noch nicht schamsozialisiert. Sie wissen nicht, dass sie sich schämen sollten.

 

 

Ich mache das hier gerne, diese Mondpatenschaft, die Begleitung ins Frau-werden. Wirklich! Und es fordert mich, wie mich wenig fordert. Während ich spreche, bemerke ich meine schamroten Themen. Ich kann sie nicht übersehen anhand dieser unschuldigen Offenheit, die mir gegenüber sitzt. Die Themen, bei denen ich mich überwinden muss, bei denen ich aufgeregt werde. Die, von denen ich möchte, dass sie frei sind in ihr.

 

 

 

Wir kommen gut über dieses erste holprige Stück, wo meine Sozialisierung voll Tabus ihr Erwachsenwerden kreuzt. Ich atme durch. Ich finde, ich habe das ziemlich gut gemacht. Und bin heilfroh, dass wir in seichtere Themen steuern - Hormonzyklus z.B. Ach, wie schön sachlich geht’s hier zu. Mh, Hormone, dies rauf, runter, farbige Kurven, Biologie, tollll. Die Fakten- und Informationsinseln geben mir eine kleine Pause zum Durchschnaufen.

 

 

Bis die nächste Frage kommt.

Die ich beantworten werde.

 


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